Finkenstein von Erwin Wondra aus Schönhengster Jahrbuch 2006

Mit dem Anfang der Industrialisierung Mitte des 19. Jh. erwachte bei der in den Fabriken arbeitenden Bevölkerung der Wunsch nach Freizeitgestaltung. Es wurden Wander-, Turn-, und Gesangsvereine gegründet. Durch diese wurden idyllische Orte entdeckt und als Ausflugsziel von den Bewohnern der Städte und der umliegenden Dörfer genutzt.

Einer dieser Orte ist Finkenstein, welcher von Mährisch Trübau in ca. 1,5 Gehstunden zu erreichen ist. Der Weg führte vom Gasthaus Sand durch die Allee zum Hellgraben, an den Moligsdorfer Kalköfen vorbei, von wo man bei guter Witterung eine Aussicht nach Osten auf die Burg Busau hat. Vom Steinberg geht es dann hinunter in einer Schlucht mit hohem Nadelwald, mit einer blühenden Bergwiese, mit einer erfrischenden Wasserquelle und zu dem Grenzbach zwischen Moligsdorf und Putzendorf.

Entstehung der Einöde: Der Webmeister und Unternehmer Franz Seidl aus Mährisch-Trübau machte oft Wanderungen in diesem kleinen anmutigen Tal. Der Naturfreund, der die heilende Wirkung der frischen Wasser schätzte, war auch angetan von dem kleinen Tümpel, an dessen Ufern sich viele Vögel einfanden, darunter auch Finken, die singend und zwitschernd von Stein zu Stein hüpften. Das war vermutlich der Anlass, diesen Ort Finkenstein zu nennen. Im Jahre 1874 kaufte Herr Seidl den Grundbesitz Nr. 25 in Moligsdorf. Die Felder verpachtete er und in der Waldmulde Finkenstein erstellte er ein Schutzhäuschen, das bei Regen nicht nur von dem Besitzer, sondern auch von Ausflüglern, Schwammerlsuchern, Beerensammlern und Liebespärchen genutzt wurde. So nannten es auch Spötter eine kurze Zeit „Schloss Finkenstein“. Aber Seidls Hang zur Natur und zu seinem Finkenstein wurde immer größer. Es wurde ein kleines Wirtschaftsgebäude mit einem Bad gebaut. Jetzt konnte er dort auch nächtigen und von seinem Hausturm mit der großen Veranda die Waldidylle mit ihren Tieren vom frühen Morgen bis in die späte Nacht beobachten und erforschen.

Dieser Ort erregte das Interesse des Rechtsanwaltes Dr. Flaschar, der im Jahre 1890 diese Einöde erwarb. Die Anlage wurde mit der Villa Anna, dem Gästehaus Hortense und einem kleinen Freibad erweitert. Leider wurden im ersten Weltkrieg die Anlagen vernachlässigt. Der Besitz wechselte von Rechtsanwalt Flaschar zu Herrn Strobach, dann zu Förster Travnitschek und 1939 ging er an Kapitän Muron.

Dr. Rudolf Pechold, der diese Anlage sehr schätzte, schreibt: „Weltbedeutung bekam der Ort im Sommer 1923. Hier fand eine Singwoche unter der Leitung von Dr. Walther Hensel statt, von der eine Musik- und Singbewegung ausging, die einen entscheidenden Einfluss auf das deutsche Musikleben (Liedgut) ausgeübt hat. Gerade dieser stille, idyllische Ort mitten im Walde, weit weg vom Lärm, war so recht geeignet, junge begeisterte Menschen, die sich um den großen Schönhengster Landsmann versammelt hatten, zu einer bedeutsamen Aufgabe zu vereinigen“. Auch später hat die Waldsiedlung Kindern aus Städten Freude und Erholung bereitet. So soll der kleine Fleck im Schönhengstgau für uns unvergesslich bleiben. Nach 1945 wurde die anmutige Anlage durch Feuersbrünste und Gewalteinwirkungen zerstört. Die heutige tschechische Jugend findet wieder Gefallen an diesem Ort und erstellte eine Schutzhütte aus Holz, ähnlich der ersten Seidelschen Schutzhütte vor 130 Jahren. So dreht sich das Rad der Geschichte.