Offene Singwoche 18. September 2011

50 Jahre Walther-Hensel-Gesellschaft e.V.

Am 18.09.2011 fand im Stuttgarter Haus der Heimat ein Singen aus Anlass des 50. Vereinsjubiläums der Walther-Hensel-Gesellschaft statt. Die Vereinsleitung hatte bei Frau Dr. Undine Wagner, Musikwissenschaftlerin aus Chemnitz, angefragt, ob sie aus diesem Anlass nach dem Vormittagssingen einen Festvortrag halten könnte. Sie sagte spontan zu und hielt einen sehr kurzweiligen Vortrag über das deutsche Volkslied.

Bei der anschließenden Mitgliederversammlung wurde der alte Vorstand der WaltherHensel-Gesellschaft e.V. einstimmig für die nächsten 2 Jahre wiedergewählt.

Vorsitzender: Herbert Preisenhammer
Stellvertr. Vorsitzender: Dr. Helmut Janku
Geschäftsführerin: Hannelore Preisenhammer
Stellvertretende Geschäftsführerin: Ade Bürgel
Kassenwart: Ursula Brenner
Stellvertretender Kassenwart: Helmut Preisenhammer

Vortrag von Dr. Undine Wagner zum Thema:
Ein umstrittenes Phänomen im Wandel der Zeiten. Zum Volkslied-Verständnis von Herder bis Hensel.

Nach einer kurzen Einleitung zur Problematik des Volkslied-Begriffs und zu den bis zur Gegenwart reichenden Bemühungen um eine allgemeingültige, gleichermaßen umfassende und konkrete Volkslied-Definition verwies die Referentin auf einige Namen, die Walther Hensel in seinen Schriften zum Volkslied, Vorworten zu Liedsammlungen und Kommentaren zu einzelnen Liedern genannt hatte: Herder, Arnim und Brentano, Uhland, Liliencron, Fallersleben, Ditfurth, Erk, Böhme, Pinck. Mit dem Ziel, den Anwesenden einiges von deren Wirken etwas näher zu bringen, erfolgte ein – dem Zeitrahmen angemessener – Streifzug durch die Geschichte der Volksliedsammlung und -forschung (wobei Österreich sowie Böhmen und Mähren bzw. die Erste Tschechoslowakische Republik aus Zeitgründen ausgeklammert werden mussten).

Ausgehend von Johann Gottfried Herder (Alte Volkslieder 1778/79, posthum als Stimmen der Völker in Liedern 1807) befasste sich die Referentin etwas umfassender mit der von Achim von Arnim und Clemens Brentano herausgegebenen Sammlung Des Knaben Wunderhorn (1806-1808), erwähnte die Verdienste von Ludwig Uhland und ging auf die unterschiedlichen Arbeiten des Rochus Freiherr von Liliencron ein.

Nach einem knappen Exkurs über die im 19. Jahrhundert geläufige Verwendung des Begriffes Lied (bzw. Lieder) für Gedichte und reine Textsammlungen sowie für lyrische Klavierstücke (u. a. Lieder ohne Worte) ging es dann um die Entwicklung von Volksliedpublikationen mit Texten und Melodien, einschließlich einiger Beispiele für Bestrebungen, den Volksliedton zu treffen oder sog. volkstümliche Lieder herauszubringen.

Von ersten Liedpublikationen im 18. Jahrhundert, insbes. durch Komponisten der sog. Berliner Liederschule wie Johann Friedrich Reichardt und vor allem Johann Abraham Peter Schulz mit seinen Liedern im Volkston (1782-1790) erfolgte ein Sprung in die 1840er Jahre, wo einige in Anlage und Charakter sehr unterschiedliche Volksliedsammlungen entstanden waren wie: Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen, hrsg. von Ludwig Erk und Wilhelm Irmer (1838-1845), Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen, hrsg. von August Kretzschmer und Anton Wilhelm von Zuccalmaglio (1838-1840), Schlesische Volkslieder mit ihren Melodien, hrsg. von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und Ernst Richter (1842). Ausführlicher behandelt wurden die Verdienste und Publikationen von Wilhelm Freiherr von Ditfurth (unter besonderer Berücksichtigung der zweibändigen Sammlung Fränkische Volkslieder mit ihren zweistimmigen Weisen, 1855), Ludwig Erk (Deutscher Liederhort, 1. Band 1856) sowie Franz Magnus Böhme (Neubearbeitung und Fortsetzung von Erks Liederhort, 3 Bde., 1893-1894 sowie Böhmes eigene Publikation Volkstümliche Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, 1895) und schließlich von Louis Pinck mit seiner mehrbändigen Sammlung Lothringer Volkslieder unter dem Titel Verklingende Weisen.

Bei all diesen Darlegungen wurde der Versuch unternommen, Reaktionen von Zeitgenossen bzw. die Ausstrahlung der erwähnten Publikationen seit Herder auf die Nachwelt einzubeziehen. Vor allem ging es aber darum, wie Walther Hensel diese Sammlungen, die er alle kannte, beurteilt hat und inwieweit er daraus für seine eigene Arbeit geschöpft hat. Beispiele und Belege dafür aus Strampedemi und insbes. aus den Finkensteiner Blättern wurden benannt. Ausführungen zu Wesen und Funktion des Voksliedes aus Hensels Sicht schlossen den Vortrag ab.

Ein wichtiges Anliegen der Referentin – in Übereinstimmung mit den Intentionen aller Teilnehmer am Sonntagssingen – bestand darin, den Vortrag durch Gesang zu beleben und zu bereichern. Zum Vortrag passende Lieder (aus der Fülle der Finkensteiner Blätter, auch einiges in Fassungen anderer Sammler und Herausgeber zum Vergleich), die am Vormittag bereits erprobt wurden, erklangen dann im Rahmen des Vortrags an den passenden Stellen. Einige wenige Beispiele sang die Referentin selbst vor, und da sie bereits seit dem Vormittag anwesend war, konnte sie sich auch am gemeinschaftlichen Singen aktiv beteiligen,