Sommersingwoche vom 05. September bis 12. September 2014

Bericht von der Sommersingwoche in Oberplan/Böhmerwald 2014-10-14

Was Leib und Seele zusammenhält

Ja, da waren wir wieder einmal beisammen, dieses Mal im Böhmerwald in Oberplan am Moldaustausee, 21 Idealisten, die Heim- und Reiseleiter Helga und Horst Löffler und Abendköchin Mirka gleich mitgezählt. Verbunden und zusammengehalten

• von der beeindruckenden Schönheit des sudetendeutschen Liedguts von Walther Hensel, Karl Pimmer und vielen anderen
• von dem wohltuenden Zusammenklang von Flöten, Gitarre und Geige
• von den den Tag abrundenden Volkstänzen
• von der zeitlosen Ausstrahlung des Böhmerwalddichters Adalbert Stifter (1805-1868)

Wir verbrachten sechs schöne Tage in seinem Geburtsort Oberplan im Adalbert-Stifter-Zentrum, zum Schlafen waren wir auf drei Hotels verteilt. Den Ort und Stifters Geburtshaus lernten wir am Sonntag bei interessanten Führungen kennen. Ein besonderes Schmankerl war Herberts spontanes Orgelspiel in der Kapelle auf dem Gutwasserberg bei noch mit dem Fuß getretenem Blasebalg. Gegenüber Stifters Geburtshaus befand sich unser zum Mittagessen besuchtes Lokal mit sehr schmackhafter Küche.

Szenische Lesungen aus Berthold Schuhs „Adalbert Stifter oder die Sehnsucht nach dem einfachen Leben“ brachten uns morgens Stifters Biographie und Denken nahe. Stifters Heimat erlebten wir besonders intensiv am Mittwoch auf der Wanderung von Hirschbergen (870 m) zum 1090 m hoch gelegenen Plöckensteinsee. Auf einen Aufstieg zum 220 m über dem See gelegenen Adalbert-Stifter-Obelisken wurde aus Zeitgründen zumeist verzichtet. In Hirschbergen sahen wir ein Stück des 52 km langen Schwarzenberger Schwemmkanals mit seinem 400 m langen Tunnel, einer enormen technischen Leistung, Ende des 18. Jahrhunderts erbaut unter der Leitung des fürstlichen Ingenieurs und Geometers Josef Rosenauer (1735-1804).

Am Montagnachmittag fuhren wir mit dem Bus am Moldaustausee entlang zur Teufelsmauer, hoch über dem von der Moldau durchflossenen Felsenchaos gelegen, und weiter zum Zisterzienserkloster Hohenfurth (Gründung 1259), das wir bei einer charmanten Führung durch Kirche, Gemäldegalerie und Bibliothek (70 000 Bücher) gründlich kennenlernten. In der Kirche erklang wieder die Orgel unter Herberts Händen. Aus Rücksicht auf eine andere Führung spielte er mit leisen Registern das „Mineth“ aus dem Kuhlädchen.

Die Busfahrt am Dienstag brachte uns vorbei an dem Passionsspielort Höritz mit Blick auf Gojau mit seiner sehenswerten Kirche in das unvergesslich schöne Krummau, malerisch von der Moldau eng umflossen, eingetragen in das Verzeichnis des UNESCO-Welterbes, Mittelalter pur. Im Regionalmuseum, dem ehemaligen Jesuitenseminar, erbaut 1652 und damit das jüngste(!) restaurierte Gebäude der Altstadt, erklärte uns der stellvertretende Museumsleiter Ivan Slavík vieles Wissenswerte zu Geschichte und Reichtum der Stadt. Zum Verständnis trug ein detailgetreues Keramikmodell bei, das die Altstadt im Maßstab 1:200 so zeigt wie sie um 1800 aussah. Nach der Besichtigung der Kirche St. Veit und einem Stadtbummel bis vor den Eingang zum Schloss, das wegen Filmaufnahmen leider nicht zugänglich war, trafen wir uns wieder zum Mittagessen in der gemütlichen, typisch urböhmisch eingerichteten Musikkneipe Na louži (Kájovská 66): Sehr empfehlenswert! Als Ersatz für die geplante Schlossführung war nachmittags im Egon Schiele Art Centrum Gelegenheit zur Begegnung mit zeitgenössischer Kunst.

Zu berichten bleibt noch der letzte Tag, dessen Programm wegen des vormittäglichen Regens zugunsten Singens und Kaffeetrinkens geändert wurde. Optimistisch machte ich dennoch alleine ohne Regen nachmittags eine Radtour zu dem ursprünglich geplanten Ziel nach Glöckelberg am Schwemmkanal. Dabei fuhr ich mit der Fähre über den Moldaustausee von Oberplan nach Vorderstift und gedachte in der Friedens- und Versöhnungskirche des aus dem Schönhengstgau stammenden Glöckelberger Paters Engelmar Unzeitig (1911- 1945), der nach seiner Verhaftung im KZ Dachau an Typhus starb, nachdem er zuvor vielen ebenso Erkrankten freiwillig beigestanden hatte. Das im Jahre 1940 noch 1200 Seelen zählende Glöckelberg gibt es nicht mehr. Nach Vertreibung und Zerstörung senkte sich der „eiserne Vorhang“ über die Grenzen des Böhmerwaldes. Die renovierte Glöckelberger Kirche und Grabsteine auf dem Friedhof zeugen von dem, was war, und zeigen den Weg zur Versöhnung.

Am festlichen Abschiedsabend genossen wir noch einmal die Gemeinschaft mit allem Schönen der vergangenen Tage und spürten, was Leib und Seele zusammenhält und viele Jahrzehnte überdauert.

Auf meinem Schreibtisch steht ein Bild des seit 1959 vom Stausee überfluteten Moldauherzens, so wie es wohl Adalbert Stifter kannte. Daneben liegt das von Herbert so sorgfältig zusammengestellte Liederheft, auf der Titelseite der Kanon „Wahre Freundschaft soll nicht wanken.“

Wie wahr.

Lieber Herbert, ich danke Dir für alles!

Walter Trötsch, Eschenbach