Lebenslauf Dr. Walther Hensels

entnommen einer im Jahre 1953 der Trübauer WV-Älterengemeinde von Hensel selbst gegebenen Darstellung und ergänzt durch Rückfragen bei Angehörigen)

Der Vater Josef Janiczek entstammt einem deutschen Bauerngeschlecht in Weißstätten a. d. Thaya in Südmähren. Die Mutter Theresia Hlawatsch stammt aus dem Dorfe Langenlutsch bei Mährisch Trübau im Schönhengstgau.
Am 8. September 1887 wurde in Mährisch Trübau Julius Janiczek geboren. Den Namen Hensel wählte er zu Beginn seiner öffentlichen Volksliedarbeit als Übersetzung des Namens Janiczek und den Vornamen Walther erkor er in bewußtem Hinblick auf den von ihm allzeit verehrten Walther von der Vogelweide.
Hensel hatte vier Geschwister: Karl (Studienrat in Znaim), Johann (Musiklehrer in Trübau, jetzt in Bretten), Josefa (jung verstorben) und Aurelia, verh. Trenkler (Wien) sowie vier Halbgeschwister: Josef (Wien), Magdalena, verh. Knopf (Wien), Anna, verh. Kutina (Prag) und Maria, verh. Steiger (Wien).
Nach Besuch der Volksschule und des Gymnasiums in Mähr. Trübau (Reifeprüfung 1906) studierte Walther Hensel an den Universitäten in Wien, Freiburg (Schweiz) und Prag die Fächer Alte Sprachen, Deutsch und Französisch. Schon auf dem Trübauer Gymnasium hatte ihn sein Deutschlehrer, der spätere Universitätsprofessor und Minister Dr. Franz Spina, zur Beschäftigung mit Mundart und Volkslied angeregt. In Wien waren es die Harmonielehre (Kontrapunkt) des Professors Grädener, in Freiburg vor allem die Seminare des berühmten Dialektforschers Professor Dr. Primus Lessiak und die Vorlesungen des Choralisten Dr. Peter Wagner, die den musik- und sprachbegeisterten Studenten befruchteten.
Im Jahre 1911 wurde er in Freiburg (Schweiz) auf Grund seiner Dissertation „Der Vokalismus der Mundarten in der Schönhengster Sprachinsel“ zum Doktor summa cum laude promoviert.
Im Sommer 1912 und 1913 durfte Walther Hensel im Auftrag Prof. Lessiaks und des Kärntner Volkslied-Ausschusses Studienfahrten nach Kärnten unternehmen, deren Ergebnis die wertvolle Sammlung „Deutsche Liedlein aus Österreich“ (2 Hefte, Leipzig, Hofmeister 1913 und 1917) sind.
Nach Ablegung der staatlichen Lehramtsprüfung im Jahre 1912 wurde Walther Hensel als Lehrer für Deutsch und Französisch an der Deutschen Handelsakademie in Prag angestellt, wo er auch eine staatliche Lehramtsprüfung für Gesang ablegte.
Im Jahre 1911 war Walther Hensel Mitbegründer des deutschböhmischen Wandervogels und blieb vom ersten Tag an dessen musikalisches Gewissen.
Nach 7 Jahren Lehrtätigkeit als Professor an der Handelsakademie in Prag und unter dem Eindruck des Zusammenbruchs Österreichs entschloß sich Walther Hensel, seine gesicherte Existenz aufzugeben und nur noch seiner inneren Berufung zu leben, das Liedgut unseres Volkes zu erforschen und praktisch lebendig zu machen. Damals heiratete er die Konzertsängerin Olga Pokorny, hielt in vielen sudetendeutschen Städten Liederabende ab, wirkte an den böhmerländischen Volksbildungswochen mit und setzte sich mit den Gesangsvereinen alten Schlags oft in scharfer Form auseinander. Seine Frau Olga schenkte ihm einen Sohn, Herbert Hensel, heute Universitätsprofessor in Marburg.
Die Singwoche in Finkenstein im Juli 1923 war der Beginn einer stürmischen Entwicklung, die Walther und Olga Hensel in vielen Singwochen mit der singbegeisterten Jugend ganz Deutschlands und der Nachbarländer zusammenführte.
Bis 1925 wirkte Hensel in Prag, wo er die starke Singgemeinde der Prager Freischaren leitete, dann wurde er nach Dortmund als Gründer und Leiter der städt. Jugendmusikschule berufen und als „Jugendmusikpfleger“ bestellt. Dort leitete er eine blühende, über 100 Mitglieder zählende „Singgemeinde“.
Von 1930 an lebte W. Hensel in Stuttgart, wo er an der Volkshochschule das Singen leitete und in vielen Singwochen seinen befruchtenden Einfluß ausübte.
Nach dem Anschluß des Sudetenlandes ging Walther Hensel in seine sudetendeutsche Heimat zurück und ließ sich mit seiner zweiten Frau Paula in Teplitz nieder. Im Jahre 1941 wurde ihm der Eichendorff-Preis durch die philosophische Fakultät der Prager Deutschen Universität verliehen. Zur gleichen Zeit erhielt er den staatlichen Auftrag zur Erforschung des deutschen und slawischen Volksliedes im böhmisch-mährischen Raum.
Der Zusammenbruch und die Vertreibung haben ihn um Hab und Gut, leider auch um viele wertvolle Aufzeichnungen gebracht. In bitterer Not und Vereinsamung lebte er mit seiner zweiten Frau und seiner Tochter Hildegard in Bayern (Kiefersfelden, später in München). Fahrten in die einsamen Dörfer des Bayerischen Waldes, mit deren Bewohnern Walther Hensel sang, einzelne Singwochen, Arbeiten in Archiven und Bibliotheken in München und rastlose Beschäftigung mit dem Volkslied und seiner Bearbeitung füllten diese Zeit.
Im Jahre 1956, am Sudetendeutschen Tag in Nürnberg, wurde Walther Hensel eine verspätete, wohlverdiente Ehrung durch Verleihung des Sudetendeutschen Kulturpreises erwiesen. Bald danach, am 5. September 1956, ist er einem Herzschlag erlegen.